Vermessung mit Endoskop – Teil II
Im zweiten Teil geht es um Themen wie das Verwenden einer Kamera unter Mach3, die Berücksichtigung des Versatzes der Kamera, den eigentlichen Ablauf der Nullpunktmessung, die Genauigkeit, den Parallaxenfehler und alles, was zum Inbetriebnehmen so wichtig sein könnte.
Schon vor dem Anfang meiner Fräskünste bewegte mich immer die Frage, womit ich denn eigentlich einmal den Nullpunkt des Werkstückes (X/Y) vermessen möchte. Manche Lösungen schieden aus, weil zu teuer, manche stellten sich allzu rasch als umständlich in der Bedienung heraus, manche waren schlicht zu ungenau. Zu teuer war die Anschaffung eines 3D-Kantentasters, selbst der muss meistens bei jeder Messung in die Frässpindel eingespannt werden. Was das bei 13 verschiedenen ER20-Spannzangen (also für jeden Fräser eine) bedeutet, ist rasch klar. Vor jeder X/Y-Vermessung müsste ich die beiden Gabelschlüssel holen, die Spannzangenmutter runternehmen und eine andere Spannzange samt 3D-Taster montieren. Billige Lösungen wie zB. ein Laserlicht waren laut den zahlreichen schon vorhandenen Bau- und Testberichten zu ungenau. Somit kam ich recht rasch auf die Vermessung mit einer „Webcam“. Webcams sind von der Fokussierung und von der Brennweite her nicht so ideal, Microskopkameras hingegen sind wieder wegen der andauernd notwendigen (händischen) Nachregelung der Schärfe schwierig zu bedienen. https://www.youtube.com/watch?v=ab31WyOD4-M
Also bot sich eine USB-Endoskopkamera an, meine zB. habe ich auf Pollin.de um € 19,90 gekauft, das war also ein echtes Schnäppchen. Dazu gibt es ja von mir schon einen ausführlichen Baubericht mit zahlreichen Fotos: Vermessung mit Endoskop – Teil I. Ein Hinweis: Auch andere Händler wie zB. Conrad, und manchmal sogar Autoteile-Ketten, etc., haben solche Kameras, ich nahm halt die Billigste. Interessant wäre die nächst teurere Alternative, wo der Schwanenhals fehlt und gleich nach der kurzen Optik nur mehr ein dünnes USB-Kabel dran ist. Damit wäre dann auf der Z-Einheit nicht soviel Krempel drauf …
Erste Erkenntnis:
In Mach3 ist bereits vorgesehen, eine Videokamera zu verwenden. Es gibt dazu zwei Einträge im Menübalken. Zunächst im Menü Config/Config Plugins ist „Video—B.Barker-Ver-1.0“ zu finden, weiters unter Plugin Control der Eintrag „Video Window“. Der Witz an der Sache ist nun, dass man im Configmenü gar nichts einstellen kann, der Menüpunkt reagiert nicht. Aber keine Sorge, die Kamera ist automatisch installiert und funktioniert bereits, wenn man sie mit „Video Window“ öffnet (vorausgesetzt, man hat die mitgekaufte Software am PC installiert und die Kamera läuft bereits – das kann man ja mit der gekauften Software leicht testen).
Zweite Erkenntnis:
Man sieht nun zwar bereits das Werkstück, doch wie um alles in der Welt bekommt man nun den Nullpunkt? Der Ablauf ist eigentlich ganz einfach. Das Kamerafenster hat ja ein Fadenkreuz als „Visier“ und man visiert den gewünschten Punkt damit einfach an. Nun muss man noch in Mach3 die beiden Achsen X und Y abnullen und: Fertig ist der Spaß ???
Dritte Erkenntnis:
Leider haben wir noch diesen blöden Versatz. Die Kamera haben wir ja bereits fix auf der Z-Einheit. seitlich und längsseits etwas versetzt montiert. Bei mir sind das etwa 70mm versetzt zur Fräsermitte auf Y und 6mm versetzt zur Fräsermitte auf Z. Das muss also jetzt mit dem Taschenrechner zur aktuellen Position, die in den DROs steht, dazu addiert werden und dann müssen wir auch noch manuell dorthin verfahren (oder via G-Codes, zB. mit dem Direkteingabefenster unter Mach3) – eigentlich irgendwie umständlich?
Vierte Erkenntnis:
Auf der Suche nach Sinnvollerem stelle ich fest, dass es in Mach3 keinen Button gibt, der das für mich automatisch macht. Den kann es ja auch nicht geben, denn woher soll Mach3 wissen, um wieviel ich damals die Kamera außermittig montiert habe? Auch unter den spärlichen Einstellungen des Videofensters gibt es da nichts, was ich gebrauchen könnte. Leider.
Fünfte Erkenntnis:
Auf der Suche nach einer Lösung werde ich bei Klaus Dietz fündig. Klaus Dietz programmiert recht geniale AddOns für Mach3, unter anderem das „Mach3-Plugin Kamera„. An sich handelt es sich dabei wiederum nur um ein Videofenster, wie schon das Obige eines ist. Das besondere daran ist, dass man aber unter den Einstellungen des Kameraplugins auch die eigenen Versatzwerte in zwei dafür vorgesehene Eingabefenster eingeben und abspeichern kann, um dann jeweils bei Bedarf mit einem einzigen Klick auf einen Button die Fräse dorthin fahren zu lassen. Nachdem sich die Fräse um diesen Versatz bewegt hat, steht die Fräserspitze genau über dem Werkstücknullpunkt.
Sechste Erkenntnis:
Alles funktioniert tadellos!
Ich finde rasch Spaß daran, lediglich einige Kleinigkeiten stören mich ungemein. Jedesmal, wenn ich das Dietzfenster öffnen will, muss ich umständlich ins Mach3-Menü und dort viel Klicken. Viel zu viel Klicken für meinen Geschmack muss ich auch, um den jeweiligen Versatz zu verfahren (dieser Button ist ziemlch ungut in einem weiteren Menü versteckt …).
Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Störenfried ist, dass das Videofenster von Klaus Dietz jedesmal beim Öffnen von Windows den Fokus erhält, also zum aktiven Fenster wird. Daher gehen die Cursortasten nicht mehr, Mach3 lässt sich solange nicht bedienen, bis man den Fokus zB. durch Anklicken mit der Maus wieder an Mach3 zurückgegeben hat. Als Anmerkung kann ich Euch jedoch sagen, dass der Programmierer diese Kritik ernst genommen und das Problem inzwischen gelöst hat: Man kann seit der letzten Release im Config-Menü einstellen ob der Fokus bei Mach3 bleiben soll.
Siebende Erkenntnis:
Ich hätte gerne eine Mach3-Sceen, die mir alle Arbeiten im laufenden Betrieb abnimmt. Also hätte ich auch gerne einen Button in Mach3, den ich nur klicken brauche, das Videofenster möge sich öffen und der Fokus solle bei Mach3 bleiben. Danach möchte ich den Werkstücknullpunkt anfahren können, einen weiteren Button klicken und Mach3 nullt nicht nur ab, sondern verfährt auch automatisch um den Kameraversatz, damit die Fräserspitze richtig steht. Wunschträume? Bitte weiter unten die Lösung lesen – nur insoweit kann ich schon sagen, ich fand keine vorhandene Mach3-Screen, die das kann. Weder eine freie, noch eine zu bezahlende, weder eine Deutsche, noch eine Englische.
Achte Erkenntnis:
Ich muss ja zumindest erstmalig, also am Beginn meines Projekts, irgendwie ermitteln, um wieviel meine Kamera von der Fräsermitte entfernt ist („Versatz“, englisch „Offset“), damit ich diesen Wert dann in die Konfiguration vom Dietz-Videofenster eingeben kann. Noch besse wäre, ich hätte diese Möglichkeit zB. auf der Einrichten-Seite direkt unter Mach3. Bitte weiter unten die Lösung lesen – nur kann ich wiederum insoweit schon sagen, ich fand keine vorhandene Mach3-Screen, die das kann. Weder eine Freie, noch eine zu Bezahlende, weder eine Deutsche, noch eine Englische.
Neunte Erkenntnis:
Ich kontaktierte also Manfred Schmidt, von dem ich ja vor einem dreiviertel Jahr meine deutsche Mach3 gekauft hatte (siehe meinen Beitrag über die „Schmidtscreen“). Binnen weniger Tage gab es die erste Version meiner Wünsche, wenn auch noch nicht perfekt, war alles aus meiner Liste umgesetzt. Nach mehreren Releases steht nun eine umfassene Kameraverwaltung mit erneuerter Bedienung zur Verfügung. Die Usability ist mustergültig. Einige Neuerungen sind noch erwähnenswert: Seit der Release v112o hat es Manfred Schmidt auch geschafft, die Werkzeugvermessung mit dem bereits in Mach3 eingebauten Videofenster („Brian Barker“) vorzunehmen. Auch hier wurde vorgesorgt, dass der Fokus bei Mach3 bleibt. Besonders für ältere PCs, wie es Fräsen-PCs nun mal wegen des Parallelports sind, lieben es, wenn Applikationen nicht zu viele Ressourcen brauchen. Da das Klaus-Dietzfenster extrem ressourcenhungrig ist, ist das Brian-Barker-Videlfenster für mich viel angenehmer zu verwenden.
Mit der Schmidtscreen sind die obigen Wünsche umgesetzt, insbesondere möchte ich noch erwähnen, dass man erstmalige Erfassung der Kameraposition auch automatisch machen kann, es gibt dafür eigene Einträge in der Schmidtscreen. Vereinfacht gesagt: Mit der Fräserspitze ankratzen, dann das Fadenkreuz der Kamera auf die Mitte des Angekratzten, Button drücken, fertig. Die Versatzwerte werden dauerhaft in der Schmidtscreen gespeichert und werden bei jeder Werkzeugmessung automatisch berücksichtigt.
Zehnte Erkenntnis:
Wo sind denn nun die Vorteile der Kameramessung? Wie schaut es mit der Wiederholgenauigkeit aus?
Die Vorteile sind die einfache Bedienung, die rasche Bedienung, aber der Spaß am Werkstückvermessen ist für mich persönlich der grösste Freudenbringer. Irgendwo habe ich unlängst dazu gelesen: Um es gleich vorweg zu nehmen: nie wieder ohne, sch…. auf die Linienlaser! Ich konnte noch nie schneller und genauer die Maschine einrichten. Diese Erfahrung kann ich gerne bestätigen.
Die Messgenauigkeit würde ich als unterschiedlich bezeichnen. Es hängt ja auch davon ab, wie genau die Fräse ist und wie gut es Dir gelingt, die Kamera lotrecht über der Fläche zu positionieren. Die Schmidtscreen hilft dabei ein wenig: Ein Button sorgt dafür, dass die Kameramessung immer in der gleichen Höhe stattfindet, um den Parallaxenfehler, so der Fachausdruck, zu minimieren (das setzt allerdings voraus, dass die Werkstückoberfläche immer etwa gleich hoch ist – ich finde, für unsere 2D-Sachen ist das ein optimaler Workaround).
Bei meiner eigenen Kamera-Befestigung habe ich keinen messbaren Parallaxenfehler, egal, ob meine Z-Einheit auf 130-mm oder auf 0-mm steht, mein Kamera-Fadenkreuz zeigt immer genau auf den X/Y-Werkstücknullpunkt. Darüberhinaus habe ich die Endoskopkamera umgebaut (siehe TEIL I), damit sie bei sehr kurzen Distanzen die optimale Schärfe hat – und genau dann zoomt sie ja auch bestens. Durch diese Zutaten erreiche ich eine Wiederholgenauigkeit von 2-3/100mm, allerdings ist das ja schon wieder geistiges Flachschaben, denn so genau ist ohnehin keine unserer Alu-Klapper-Portalfräsen.
Ein FOTO-Hinweis:
Dieser Beitrag ist absichtlich bilderlos. Die Fotos dazu sind im ersten Teil.