Ausrichten der verbogenen Kugelgewindespindeln
Einen schönen guten Abend, liebe Leser meines Blogs!
Heute hat mich ein Forenmitglied per Mail um eine ausführliche Anleitung ersucht. Er hat genauso wie ich eine verbogene Lieferung Kugelgewindespindeln aus China erhalten und möchte wissen, wie ich meine gerichtet habe. Sinngemäss möchte ich nochmals die Frage formulieren, bevor ich ausführlich antworte:
Ich habe jetzt auch ein Paket vom Chang erhalten und natürlich waren die beiden langen Spindeln krumm.
– Wie richtet man die wieder?
– Wo haut man drauf, wie und womit hast du die dabei gespannt
– Hast du überhaupt gespannt?
– Hast du die Mutter vorher abgemacht?
Hier meine Antworten:
Es ist einigermassen schwierig, mit Worten zu erklären, was ich 3 Stunden lang gemacht habe, daher zwei Möglichkeiten, ich habe mich für die Zweite entschieden (entscheiden müssen):
1.
Profiversion (ging bei mir nicht mangels Drehbank) – ganz wichtig, bitte nur bei echten „Eisenschweinen“, die mehrere Tonnen haben, machen. Es wäre schade um Eure kleine Hobbydrehe!
Die Kugelspindel in die Drehbank spannen, nur ein Stückchen rausschauen lassen. Mit Messuhr oder Puppitaster beim händischen Drehen schauen, wo man drauf hauen muss. Gummihammer nehmen, und ordentlich zuschlagen, neu messen – solange, bis das Stück gerade ist. Danach Kugelspindel ein Stückchen mehr herausschieben und so weiter.
2.
Meine Versuche:
a)
Die Kugelmutter blieb auf der Spindel, weil mir das Wiedereinkugerln zu viel Arbeit gewesen wäre – ich habe nur das Loslager aufgesteckt. Aufs andere Ende habe ich die Mutter hingedreht, somit ist die Spindel schön gelagert gewesen, sodaß ich sie zwischen Loslager und aufliegender Kugelmutter drehen kann. Natürlich mit Einschränkungen, weil die Mutter dann zu wandern beginnt.
b)
die Spindel auf eine glatte und sehr ebene, gerade Oberfläche legen. Bei mir kamen ein eckiges 40×40 Alurohr und diverse Alubauprofile 45x90mm, die ich für den Fräsenbau schon gekauft hatte, zum Einsatz. Auch ein dicker Gummiring (Mutternseite) oder ein Tape (Lagerseite) ist da möglich, damit die Spindel nicht von dieser Oberfläche runterfällt.
c)
Mit einem Anschlag (bei mir war es ein aufgestelltes Alustück ca 100x50x15mm, und auch ein sehr scharf geschnittenes Vollmaterial 30x40mm mit ca. 20 cm Länge, beides bei grellem, hellem Licht) sah ich dann (händisch drehen), wie vor 35 Jahren, als ich als junger Radsportler die „Achter“ selbst aus den Rädern zentrieren musste, schön, wo es schlägt. Und mit mehreren Markern (Edding, blau, rot, etc.) habe ich dann Notizen angebracht. Damit spielte ich schon eine halbe Stunde oder mehr, ich war dabei total unklar und am Verzweifeln. Einmal vermutete ich da den „Schlag“, einmal dort, nur nie an der richtigen Stelle. Mit der Zeit kam aber so etwas wie ein Gefühl auf (nach 30 Minuten?) und es deckte sich ziemlich genau mit der Stelle, wo im Karton die mittlere von den zwei kürzeren Spindeln endete. Und das war der einzige Knick,
alles andere war von mir nur Einbildung. Der Speditionsarbeiter hats genau am Bruchstück der Kartonage versaut. Wenn Du den Karton also noch hast – oder wie ich ein Foto (siehe in diesem Thread) – hast Du einen Vorteil.
d)
Als Gegenprobe habe ich die Spindel auf eine ebene Unterlage (zB. Faserplatte mit weissem Plastik , Resopal?, bei mir war es etwa die Tür eines alten Küchenmöbels) legen und rollen. Da die Mutter ja im Weg umgeht, habe ich diese über die Tischkante und die Unterlage rausstehen lassen, damit sie nicht stört. Später dann habe ich die Kugelmutter auf die Gegen seite gedreht, damit ich beide Seiten testen kann …
e)
Ohne Mutter wäre es leichter: Du legst zwei eckige Rohre parallel nebeneinander auf und legst die Spindel drauf. Die Spindel beginnt, wenn sie krumm ist, von selbst, sich zu drehen und zum Liegen zu kommen. Dabei ist die Biegung nach unten in der Mitte. Das ginge eigentlich auch mit der augeschraubten Mutter, nur müssten die untergelegten
Rohre dann um Einiges höher sein und das hatte ich nicht. Dass ich dazu meine Aluschwerprofile hätte nehmen können, ist mir erst später gedämmert. Aber ich traute dieser Methode ohnehin weniger.
(Bild geliehen von Hermann Möderls mixware.de, ich hoffe, er hat nichts dagegen)
Irgendwann war ich mir sicher, die (einzige) Krümmung gefunden zu haben. Ich habe dann die Spindel auf die Holztischkante meiner Werkbank gelegt (Multiplex 40mm) und mit dem Gummihammer der Spindel einen Schlag versetzt. Das war nicht ein Schlag, sondern ein sehr heftiger Schlag, es hat schon ordentlich gedonnert. Ich hatte nach jedem Schlag nachgemessen. Weil ich mir vorher mit Kreide die konkave und die konvexe Seite je in einer anderen Farbe markierte, war die Überprüfung einfach: Einfach aufs Vollalu legen und schauen, ob der „Bauch“ weniger wird. Nach etwa 7-8 Schlägen war ich dann endlich plan. Jetzt kam der Test, ob die erfolgreiche Aktion auch im Betrieb funktionieren
würde.
Mein Testaufbau dazu:
Die Spindel habe ich mit Festlager und Loslager versehen und diese mit 2 Tischlerzwingen auf der Werkbank fixiert. Da ich eine L-förmige Werkbank habe, war das leicht. Festlager auf die eine Werkbank, Loslager auf die andere, die Spindel mit 45% dazwischen. Du müsstest halt andernfalls, wenn Du eine i-förmige Werkbank oder einen Tisch hast, die beiden Lager aufbocken (zB. mit Holzstaffeln), sonst streift die nicht demontierte Kugelgewindemutter.
Nun gib die Schrittmotorkupplung auf das Festlagerende der Spindel und stecke an die Kupplung Deine Bohrmaschine an. Spanne bitte nicht das Bohrfutter direkt aufs Spindelende (Spindeln sind nur aussen gehärtet und Du bekommst ansonsten unschöne Kratzer). Vorher, mit der verbogenen Spindel, konnte ich 250-300 Umdrehungen/Minute mit der Bohrmaschine fahren, dabei hatte ich bereits Schwingungen von durchaus bis zu 10cm in der Mitte der 1200mm langen Spindel und mein provisorisches Gestell begann abzuheben!
Nach der Reparatur gab ich mit der Bohrmaschine stufenweise ordentlich Stoff. Ich habe bei 1500 Umdrehungen pro Minute angenehmen Rundlaufs freiwillig beendet, denn das sind das bei einer 16-5er Spindel schon 5mm pro Umdrehung und somit 7,5 Meter in der Minute an Verfahrgeschwindigkeit. Das können die billigeren Endstufen und Steuerungen ohnehin nie und nimmer, ausserdem wäre das ohnehin nur für die Eilfahrt ein Thema, beim Fräsen selbst bist Du ohnehin viel langsamer.
Vorsicht:
Das darauffolgende Demontieren und schwierige Runterziehen der Lager von der Spindel ist eine andere Sache und ein Lager habe ich mir dabei beleidigt und musste es tauschen – was beim Loslager 1-2 Euro kostete, aber beim Festlager teuer werden könnte.[/i]
Sodern, diesen langen Beitrag schreiben war ein bisserl heavy,
jetzt wartet Weibi mit
„Taubenschuss 2011, DAC Grüner Veltliner, Poysdorf“
und ich freue mich schon drauf
Hallo Heini,
ich habe jetzt auch meine X-Spindel richten müssen. Ich kam aber mit der von Dir beschriebenen Methode mit dem Lichtspalt nicht wirklich zurecht. Ich habe, damit ich mit meiner Messuhr messen konnte, einfach ein Stück Gfk (10 mm Breit) unter meine Messuhr geklebt.
Dadurch konnte ich die Spindel dann in einem Aufbau, wie von Dir beschrieben, alle 10 cm abtatsten und mir die Werte notieren. Ergebnis waren 0,9 mm Schlag an der höchsten Stelle. Jetzt läuft sie mit unter 1/10 mm Schlag. Das hätte ich mit der Lichtspalt -Methode nie hingekriegt. Vielleicht ist das ja auch ein Tip für Andere…
Beste Grüße aus Köln
Ralf Wunder
Servus Ralf!
Schön von Dir zu hören und von Deiner Methode! Damals hatte ich weder Messuhr, noch eine Drehmaschine. Hermann Möderl hatte (glaube ich zumindest) in seinen Richtlinien einmal die Lichtspaltmethode am Fräserschaft erklärt und dass man damit sogar das Hundertstel sieht. Eine starke Lichtquelle erleichtert das – das menschliche Auge kann ungeheuer genau arbeiten!
Heutzutage habe ich einen größeren Maschinenpark und ich spanne die Kugelgewindespindel einfach in die Drehe ein (ich habe ein 26mm-Loch in der Hauptspindel zum Durchstecken) und klopfe vorsichtig mit dem Gummihammer, schiebe die KGS dann immer ein paar Zentimeter weiter aus dem Backenfutter raus. Die Messuhr ist am Planschlitten montiert und genauer gehts dann gar nicht mehr. Man muss aber bei den Schlägen aufpassen, dass die Spindellager nicht beleidigt werden. Die chinesischen KGS mit 16mm sind aber so weich, dass das die Drehe problemlos aushält und z.B. schon beim unterbrochenen Drehen von 160mm-Material aus Ck45 mehr Kraft anliegt – das müssen (halbwegs große) Drehmaschinen „abkönnen“ – mit einer Minidrehe vom 34kg und 300mm Spitzenweite (Erba, Rotwerk, etc.) würde ich mir das aber auch gut überlegen :-). Warum sage ich das: Weil ich dafür schon mal im Forum kritisiert wurde, nach dem Motto „die arme Drehmaschine“. Alles Blödsinn – mit Hirn geht das sehr gut.
Jedenfalls Danke, Dein Tipp ist für angehende Fräsenbauer ohne großen Maschinenpark sicher der idealste Weg, zumal die Investition sehr klein ist (China-Messuhr samt Stativ etwa € 30,00).
LG
Heini
Guten Abend Heini!
Falls man Arbeiten an KG-Spindeln vornehmen will/muss, kann man, ohne mit der Mutter „herumkugerln“ zu müssen, die KG-Mutter sehr einfach und sicher runterdrehen:
Dazu eine Hülse fertigen (Material ist egal) mit etwa dem Innendurchmesser, der dem abgedrehten Wellenstummel einer Seite der KG-Spindel entspricht und dem Aussendurchmesser, der etwa dem Kerndurchmesser des Kugelgewindes entspricht.
Die Hülse schiebt man nun auf den Wellenstummel und „schraubt“ nun die KG-Mutter runter auf die Hülse und sichert sie (mit Klebeband, Draht, o. ä.), damit sie von der Hülse nicht runterrutschen kann.
LG Ernst
Servus Ernst!
Ja das ist natürlich richtig – nur damals, noch als Anfänger, dachte ich, man müsse die Kugeln nachher wieder einzeln einfädeln 🙂 . Inzwischen habe ich sogar eine Reservekugelmutter, auf einem Röhrchen aufgefädlt, herumliegen, wenn man eine Drehe hat, ist ja ein genaues Röhrchen rasch angefertigt (notfalls genügt auch eines aus dickem Papier, z.B. etwa Visitenkartenpapierstärke, selbst gerollt). Das Rohr habe ich einfach mit einem durchgesteckten Kabelbinder fixiert. Für Anfänger: Bitte aber gut aufpassen und sicherheitshalber auch gleich eines der zahlreichen Youtubes vorher anschauen, wie man Kugeln am Fußboden wiederfindet und einzeln in die leere Mutter „einklebt“. Das schreckt so ab, dass ihr beim Runterdrehen sofort gewissenhafter arbeitet als vorher 🙂
Gruß
Heini